Briefe aus Palästina

Ibrahim K. Lada’a

 

Geboren am 25.11.1942 in Jaffa/Palästina,

1948 Flucht nach Ramallah

Seit 1969 verheiratet mit Christa Lada'a, geb. Kirschner. Wir haben vier Kinder.

 

Schulausbildung: Ramallah/Jerusalem

Studium: 1964-65 Studium der Evangelischen Theologie in Neuendettelsau/Bayern

Danach: Studium der Medizin an den Universitäten Würzburg und Erlangen bis zur Erlangung der Facharztanerkennung in der Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde.

Rückkehr nach Palästina:

1978 bis 1983 Chefarzt der HNO-Abteilung im Regierungskrankenhaus Ramallah und Consultant für alle Regierungskrankenhäuser in der gesamten West Bank.

1980 - 1996 Consultant für HNO im Makassed Hospital und im St. Joseph Hospital in Jerusalem.

1987 - 1996 Chefarzt der HNO-Abteilung im Auguste Viktoria Krankenhaus in

Jerusalem. , 1990 - 1996 Medizinischer Direktor des Auguste Viktoria Krankenhauses in Jerusalem.

Rückkehr nach Deutschland:

Seit 1997 Oberarzt an der Cecilienklinik in Bad Lippspringe/NRW

 

Briefe aus Palästina.......................................................................................................................... 1

Ibrahim K. Lada’a................................................................................................................................ 1

1. Bericht................................................................................................................................................. 2

2. Bericht................................................................................................................................................. 3

3. Bericht................................................................................................................................................. 4

4. Bericht................................................................................................................................................. 5

5. Bericht................................................................................................................................................. 6

6. Bericht................................................................................................................................................. 7

7. Bericht................................................................................................................................................. 9

8. und letzter Bericht.................................................................................................................... 10

Initiative Hören................................................................................................................................. 13

Ohrchirugie für palästinensische Kinder.......................................................................... 13


1. Bericht

Nablus, den 27. Juli 2003

 

Liebe Kolleginnen,

seit dem 20.. Juli 2003 bin ich in Nablus, im Regierungskrankenhaus "Rafidia".

Das Krankenhaus hat eine HNO-Abteilung mit zwei jungen Kollegen, einer der Kollegen hat seine Ausbildung in Amman/ Jordanien erhalten, der andere war drei Jahre in der Ukraine zur Ausbildung. Beide können relativ gut die Routineoperationen durchführen, aber keine Tumor- oder Mikrochirurgie, besonders die des Ohres; hier kommt mein Beitrag.

In der ersten Woche wurden mir etwa 150 Patienten vorgestellt. Die meisten Patienten waren Kinder und Jugendliche unter 20 Jahren, die fast ausschließlich unter Hörproblemen leiden, viele von ihnen klagen auch über Schwindel (Tinnitus) und starken Hörverlust. So musste ich meine Prioritäten eng setzen und habe vorerst nur Patienten unter 20 Jahren, die an Cholesteatoma leiden, ausgewählt. Es handelte sich um 23 Patienten. Und so führte ich am 27. Juli 2003 meine erste Operation durch. Eine deutsche Firq1a hat uns die mikrochirurgischen Instrumente leihweise zur Verfügung gestellt. Diese Art von Operation wurde zum ersten Mal in Nablus durchgeführt. Es war bewundernswert, mit welchem Elan, guter Laune und Freude die OP- Schwestern bereit waren, bei dieser neuen Art von Operation zu assistieren und den Umgang mit den ungewohnten Instrumenten zu lernen. Wir haben erst "am Trockenen" geübt, so dass am Sonntag, den 27. Juli 2003 die erste Operation erfolgreich durchgeführt werden konnte. Bei dem Patienten handelte es sich um einen 15jährigen Jungen, dem das Cholesteatom bereits aus dem Gehörgang heraustrat. Es war ein großer Tumor, der den gesamten Mastoid und das Mittelohr füllte. Die Operation dauerte fast dreieinhalb Stunden.

Ich war mit dem Ergebnis zufrieden und so haben wir heute zwei' weitere Operationen durchgeführt. Die beiden jungen Kollegen sitzen während der OP hinter mir und wollen alles sehen, sogar die Schwestern und der Anästhesist sind interessiert, wie ein Cholesteatom aussieht. Es macht Freude, motivierten und willigen Menschen die Chance zu geben etwas zu lernen um anderen zu helfen.

 

Ibrahim K. Lada'a


2. Bericht

Nablus, den 6. August 2003

 

Liebe Kolleginnen,

Es ist fast fünf Uhr an einem Mittwoch nachmittag. Die Sonne hat sich bereits über den Samit hinweg bewegt und geht in Richtung Westen über dem Mittelmeer unter. Dabei wird das Meer von einer feinen, sommerlichen rotweißlichen Decke verhüllt. Meine Mutter erzählte mir an den Abenden,. an denen ich nicht einschlafen wollte, von dieser Decke die die Sonne in einen friedlichen Schlaf wiegte. Dies war in unserem Haus, nur ein Steinwurf vom Meer entfernt, dem Meer auf dem meine Vorfahren Fischer waren, von denen sich unser Familienname ableitet, dem Meer von Jaffa, meiner Geburtsstadt. Diese schöne Stadt, die jeder Amerikaner oder Europäer besuchen kann wenn ihm danach ist. Nur ich darf nicht in diese, meine Geburtsstadt zurück, nachdem ich aus ihr mit meiner Familie nach der Gründung des israelischen Staates vertrieben wurde.

Ich sitze auf einer schönen Terrasse in der Altstadt von Nablus, im Hotel al-Yassmin, einem schönen Gebäude, das nach alter orientalischer Bauart neu errichtet wurde. Verschiedene Suks (Märkte) und Basare geben den Eindruck von einem älteren Gebäude. Es gibt den Suk al-Bassal (Zwiebelmarkt), Suk al-lahem (Fleischmarkt), Suk al-Zahab (Goldmarkt) und Suk al-Atarrien (Gewürzmarkt).

Auf einer anderen Terrasse sitzt ein junges Paar, sie scheinen verliebt zu sein. Die Frau mit dem hübschen Gesicht trägt ein islamisches Gewand. Sie reden sehr leise miteinander und sehr konzentriert. Ihre Augen erzählen viele Geschichten, Geschichten vom Verliebt sein, wie überall auf der Welt, auch unter der Besatzung. In diesem Moment steigt mir das Bild von der Mauer, die die Israelis nur ein paar Kilometer entfernt bauen, vor die Augen. Es ist ein totes Bild.

Die Bedienung ist sehr nett, aber noch etwas unbeholfen, es ist noch nicht alles perfektioniert. Aber sie sind immer freundlich und lachen, auch wenn man sich ein wenig aufregt, weil es so lange dauert nur um ein Glas Saft zu bekommen. Im Nebenzimmer läuft der Fernseher. Er läuft laut den ganzen Tag, aber keiner schaut hin oder hört zu, keinen interessiert es was dort läuft, aber man möchte andererseits doch immer informiert sein, ist unter starker Spannung und fürchtet etwas zu verpassen.

Heute Morgen beim Frühstück fragte ich nach der Tageszeitung, der Kellner schaute mich an und fragte mich welcher Tag denn heute sei ("Schu aliaum?”). Ich war verwundert über einen Kellner, der seinen Tag damit anfängt, Frühstück zu servieren und nicht weiß was für ein Tag heute ist. Ich spürte wie er denkt, für ihn seien alle Tage gleich. Jeden Tag scheint die Sonne, und der Himmel ist blau, der Tag beginnt bei Sonnenaufgang und endet nach Mitternacht. Seine ganzen Gedanken kreisen um den Tag am Wochenende, wenn er seine Familie besuchen kann, nach der Frage, wie er durch den Mahsum (Checkpoint) kommen kann, wie viele wird er passieren müssen? Stehen dort ältere oder jüngere Soldaten? Kann er rechtzeitig zur Arbeit zurück kommen? Bezahlt wird er nur wenn er auch arbeitet, wenn er sich verspätet oder ein paar Tage gar nicht kommen kann, besteht die Möglichkeit dass er seinen Job verliert. Ein Kellner erzählt mir, dass sein Haus acht Kilometer von Nablus entfernt liegt und dass er, um dorthin zu kommen, bereits einen Mahsum passieren muss. Mahsums sind feste Checkpoints, im Gegensatz zu den beweglichen "fliegenden Mahsums”. Diese sind noch schlimmer, weil sie von jugendlichen Siedlern durchgeführt werden, deren einziges Ziel es ist, die Araber zu schikanieren und zu demütigen. Der Kellner braucht für die acht Kilometer vier Stunden um über viele Umwege zu seinem Dorf zu gelangen, und dies geht nun schon seit zwei Jahren so.

 

Ibrahim K. Lada'a


3. Bericht

Nablus, den 11. August 2003

 

Liebe Kolleginnen,

Salammat

 

Am Abend wurde ich von meinen Kollegen abgeholt um die Altstadt von Nablus zu besichtigen. Wir gingen in ein Viertel der Altstadt (al-Kasba), .in dem sich die ältesten Seifenfabriken von Nablus befanden, ebenso wie zahlreiche 4- bis 5-stöckige Familienhäuser. Dieses Kulturerbe wurde von israelischen Panzern dem Boden gleich gemacht. Es wird versucht dieses Viertel wieder aufzubauen und zu renovieren, jahrhundertealte Kulturarbeit ist jedoch schwer wieder herzustellen. Nablus war immer berühmt für seine Seifenfabriken. Die Seifen werden aus Olivenöl hergestellt. Seife wurde bereits vor Jahrhunderten hergestellt, in einer Zeit als die Kaiser und Fürsten Europas, anstatt zu baden, sich mit Kratzstäben den Rücken von Läusen befreiten. Vor der Zerstörung gab es drei Fabriken mit insgesamt 150 Arbeitsteilen. Jugendliche - Jungen wie Mädchen - helfen den Arbeitern der Stadtverwaltung bei der Beseitigung der Trümmer. Alle Einwohner von Nablus sind sich einig dass die al-Kasba wieder hergestellt werden muss.

Anschließend gingen wir in ein typisches Altstadtcafe, ein reines Männercafe wie es sie im Orient zuhauf gibt. Es ist sehr ruhig und man genießt den Duft von Jasmin, Zitronen und weißen Rosen. In diesen Cafes bestellt man einen Naffas (Atem, Inhalation), sprich eine Wasserpfeife (Argile). Es gibt verschiedene Methoden eine Argile vorzubereiten: Für starke Männer aber auch für ältere Frauen wird der Tabak nicht zu sehr gepresst. Beim Pressen zwischen den Händen bleibt der Saft im Tabak und kann so mit inhaliert werden. Je nach Stärke der Pressung und Art des Tabaks kann man Pfeifen von stark bis leicht bestellen. Es gibt auch den zur Zeit modischen al-Me'assel Tabak. Dieser kann in verschiedenen Geschmacksrichtungen, von Apfel über Erdbeere bis Aprikose, bestellt werden. Diese Sorten sind besonders bei den Jugendlichen beiderlei Geschlechts beliebt. So gibt es Cafes, die leichtverdunkelte Sitznischen für ihre, meist jugendlichen Gäste, anbieten. Diese sind besonders unter den Studentinnen der Universität beliebt um ihren Me'assel zu rauchen. Es wird natürlich mehr als nur ein "Naffas" geraucht. Trotzdem sieht man Larynx, Oropharynx oder Lungenkrebs nur selten, vielleicht weil kein Alkohol im Spiel ist. Dafür sind Herzinfarkte bei Jung und Alt sehr häufig, selbst bei Dreißigjährigen. Die Leute stehen unter ungeheurem Stress: ein Vater mit sieben Kindern, der arbeitslos ist, Ausgehverbote von mehreren Wochen, Krankenwagen werden nicht reingelassen, Schwangere gebären an den Mahsum (Checkpoint); Alles Faktoren, die den Stress weiter verstärken. Zwischen Ramallah und Nablus, einer Strecke von ca. 50 km gibt es drei feste Mahasim (Mehrzahl von Mahsum) und zwei sogenannte "fliegende Mahasim", Während man im Cafe sitzt und weiter seine Agile raucht, fühlt man die Bitterkeit in sich hochsteigen, über die Hilflosigkeit angesichts des "Ungeheuers", das Israel nur ein paar Kilometer entfernt bauen lässt. Der Bau einer 600 km langen 1 ,50 m dicken und über 8 m hohen Mauer, wird dort mit allem Eifer voran getrieben. Israel gibt den Palästinensern die Schuld. Warum. sucht man immer die Schuld beim anderen, wo es doch offensichtlich 1st, dass die Besatzung Schuld an der Situation ist. Die Mauer wird auf palästinensischem Boden gebaut, sie stiehlt den Palästinensern 40 Prozent des fruchtbaren Agrarlandes ebenso wie das sich darunter befindende Grundwasser.

 

Ibrahim K. Lada'a


4. Bericht

Nablus, den 12. August 2003

 

Liebe Kolleglnnen,

 

Die Operationen laufen sehr gut. Täglich führe ich zwei Tympanoplastik oder Mastoidektomie OPs durch. Bis die Instrumente für die zweite OP vorbereitet sind - es steht nur ein Ohrsieb zur Verfügung - führe ich kleinere OPs, wie Paukenröhrchen einlegen, durch. Planen kann man in einer solchen Situation so gut wie nichts. Wir nehmen die Patienten so wie sie kommen, obwohl die OP-Warteliste sehr lang ist. Der Hauptgrund dafür ist, dass der Patient zwar rechtzeitig in der Frühe von Zuhause Richtung Krankenhaus aufbricht, wegen der zahlreichen Mahasim (Checkpoints) muss er jedoch Stunden lang in der heißen Sonne warten, bis er durchgelassen wird, so kommen viele Patienten erst am späten Nachmittag im Krankenhaus an.

Ich operiere sechs Tage die Woche. Der Freitag ist Feiertag. Zwischen den einzelnen Operationen untersuche ich Patienten, die oft von sehr weit hergekommen sind, und nehme sie eventuell stationär auf. Bis jetzt habe ich 16 Operationen durchgeführt. Es handelte sich fast ausschließlich um große Cholesteatome, die den ganzen Mastoid bzw. das Mittelohr ausfüllen. Etwas, was man in dieser Form in Deutschland nur äußerst selten zu Gesicht bekommt. Es gab manchmal kritische Momente während der OP, bis jetzt jedoch keine Komplikationen.

 

Gestern abend hatte ich das Glück, Herrn Rupert Neudeck von Gap Anamur/German Emergence Doctors, zu treffen. Er ist ein wunderbarer Mensch. Wir haben zusammen das Abendessen eingenommen und uns mehrere Stunden unterhalten und diskutiert. Er wollte sehr viel über Palästina wissen, und ich wollte alles über seine Arbeit erfahren. Um 1 Uhr musste ich leider schlafen gehen, da ich am nächsten Tag operieren musste. Es war "ein sehr spannender Abend, und wir sind auseinander gegangen in der Hoffnung uns wieder zu treffen. Er schenkte mir sein Buch über Afghanistan. Herr Neudeck hatte die Mauer gesehen und war sehr bestürzt darüber. Er versucht, den Menschen die hinter der größten Gefängnismauer der Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts leben, zu helfen, und deren Sache zu vertreten. Er sagte man muss es gesehen haben um zu verstehen und genauer zu berichten.

 

Ibrahim K. Lada'a


5. Bericht

Nablus, den19. August 2003

 

Liebe Kolleginnen,

 

Qa.lqilja,. eine Stadt von ca.. 30 Tausend Einwohnern, 20 km vom Meer entfernt, umgeben von Zitrusbäumen und Orangenhainen, Olivenbäumen und einer Mischung aus Mittelmeer- und Tropenpflanzen, duftenden Blumen und Sträuchern wie Jasmin, Phull, Alrihan und Thymian, große süße Feigen und stachelige Saber (Kaktusfrucht) und noch viel mehr.

Qalqilja hat seine blühenden Tage hinter sich. Die Stadt war berühmt für ihren Markt, besonders am Wochenende.. an dem Araber und Juden aus dem ganzen land das reichhaltige Früchte- und Gemüseangebot bestaunten. Sie war ein~ lebendige, gemischte, liebevolle orientalische Stadt.

Qalqilja besitzt über 50 Tiefwasserbrunnen, mit einer Wassertiefe von nicht mehr als 20 Metern. Das Wasserreservoir ist so groß, dass die Stadt auch mehrere trockene Jahre überstehen kann. Dies sagte mir der Bürgermeister, als er mich auf einer Fahrt durch die Stadt mitnahm. Er zeigte mir das "Ungeheuer" - ein Riese von 8 Metern Höhe und 1,5 Meter Breite. Es sperrt die Sonne vom Westen ab, windet sich mitten durch Wohnviertel..

Ich habe "es" berührt und mit der Faust dagegen geschlagen, "es" antwortete nicht. In diesem Moment sagte mir der Bürgermeister, dass bereits viele dasselbe getan haben; Parlamentarier und Minister aus der westlichen und östlichen Welt Eine Abgeordnete des Europäischen Parlaments hatte geweint, als sie neben der Mauer stand (eine Stimme in der Wüste - Todesstille),

Andere sagten beim Anblick des Ungetüms, dass ein Regime, das solch eihe Mauer baut, schon längst verloren hat.

Es ist nicht nur die Mauer, die Qalqilja umzingelt. An deren Seiten befinden sich asphaltierte Straßen, und darauf folgt ein tiefer Graben. Auf einem70m breiten Streifen entlang der Mauer dürfen die Palästinenser nichts bauen. Mehrere Häuser, die in diesen Bereich fallen, werden zerstört. Die Mauer umzingelt Qalqilja von allen Richtungen. Sie beginnt fast.10 km vor dem östlichen - und einzigen- Eingang zur Stadt, auf beiden Seiten der Straße in Richtung Nablus. Dies Ist der einzige Ausgang für 30 Tausend Menschen, der auch noch von strengen Mahasim (Checkpoints) kontrolliert wird. Beim Bau der Mauer hat Israel den Arabern 19 Tiefwasserbrunnen, die insgesamt 36% des Wasserreservoirs ausmachen, geraubt. Die Orangen- und Olivenhaine gibt es zum größten Teil nicht mehr. Mehrere alte Olivenbäume, die wegen des Verlaufes der Mauer ausgerissen wurden, werden nun an reiche lsraelis verkauft., die sie in ihren Gärten in ihren Mittelmeer-Villen einpflanzen. Werden die neuen Besitzer an dessen entwurzelten und entfremdeten Bäumen ihre Freude finden? Vielleicht werden einige von ihnen beim Blick auf den Baum daran erinnert, das die Hand, die diesen Baum pflanzte eine arabische Hand war; die Hand von Mohammed, Mustafa, Ali oder Ibrahim.

Ein arabisches Sprichwort besagt: "Unsere Vorfahren haben gepflanzt damit wir davon leben, wir pflanzen damit unsere Nachkommen davon leben". Mögen die neuen Besitzer dieser Olivenbäume das Prinzip von leben und leben lassen akzeptieren, vielleicht sind wir dann Stück weiter in der richtigen Richtung.

 

Ibrahim K. Lada'a


6. Bericht

Nablus, den 26. August 2003

 

Liebe Kolleginnen!

Ich bin jetzt die fünfte Woche im Rafidia Krankenhaus in Nablus und operiere täglich zwei Ohren. Bis heute habe ich 32 Ohroperationen durchgeführt.

Die Pathologie des Mittelohres übertrifft alle Erwartungen. Bei fast allen Operationen handelt es sich um Choleastoma, auf deutsch "Knochenfraß" auf arabisch "Perlengeschwulst". Die alten Araber haben diese Krankheit schon beschrieben, auch ohne Mikroskop., und in der Tat sind beide Bezeichnungen richtig. Dieser Tumor frisst sich in den Knochen hinein, zerstörend seit dem Kindesalter, aber er metastasiert nicht, also haben wir es mit einem semimalignem Tumor zu tun. Er sieht besonders unter dem Mikroskop mit seinem Lichtreflex wie eine Perle aus. Es gibt verschiedene Größen sowie unterschiedliche Lokalisation und Ausdehnung begleitet von Zerstörungseffekten bzw. Symptomen wie Schwindel, Tinnitus, Ohrenlaufen, fast an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit und intrakraniale Komplikationen, wie bis jetzt bei drei Fällen..

Ein 20 jähriger junger Mann leidet seit Jahren an Ohrenlaufen und an fast allem was dazugehört. Die intrakranialen Komplikationen wurden mir von dem Internisten vorgestellt, das Tonaudiogramm zeigte eine fast vollständige Taubheit, das CT zeigte eine sklerotisches Mastoid und intrakranial einen Durchbruch des entzündlichen Prozesses. Der Patient wirkt sehr müde und schlaff und leidet an Kopfschmerzen und Erbrechen. Ich habe ihn noch am selben Tag operiert.

Bei dieser Gelegenheit will ich mich hier bei der Firma Storz bedanken, denn ohne die Von ihnen zur Verfügung gestellten modernen, heuen Instrumente wären diese ausführlichen Operationen nicht möglich und wenn, dann nur unter sehr schwierigen Bedingungen durchzuführen gewesen, und ich hätte sehr viel mehr Zeit als drei Stunden für eine OP benötigt. Der infizierte sehr große Tumor hat den gesamten Mastoid und das Mittelohr ausgefüllt, zerstörte die Mastoidwände und wanderte unter, die Dura. Diese konnte gereinigt werden.

Die OP-Räume des Rafidia Krankenhauses liegen 1m zweiten Stockwerk. Kaum war ich mit der Operation fertig, härten wir heftigen Lärm von unten kommend. Das Operationsteam wusste genau was los war., nur ich nicht. Auf meine Frage hin, was der Lärm bedeute, erklärte mir ein älterer Kollege: "In Kürze findet das Mittagsgebet statt und um 4 Uhr früh sind drei Leichen eingeliefert worden", Den vierten Leichnam haben die Israelis mitgenommen. Wir standen am Fenster des OP-Raumes und konnten von oben herab das ganze Geschehen, das sich auf der Straße abspielte, beobachten. Vor dem Krankenhauseingang warteten Hunderte von jungen Männern, die schwarz-rot- grüne Fahnen trugen. Als die in grüne Tücher gehüllten Märtyrer, die Gesichter unbedeckt, heraus getragen wurden, ging ein riesiger Aufschrei durch die Menge, und patriotische Lieder und Parolen erschallten, denn diese vier jungen Männer waren im Kampf mit den israelischen Soldaten gefallen. Um 4 Uhr früh hatte die israelische Armee, das Flüchtlingslager, aus dem sie stammen, umzingelt, die Häuser, in denen sie wohnen mit Raketen angegriffen und anschließend mit Bulldozern zerstört.

Vier junge Männer im Alter zwischen 20 und 25 Jahren. Zwei Tage danach haben sich zwei junge Männer aus eben diesem F1üchtlingslager in Israel in die Luft gesprengt und viele Menschen mit in den Tod gerissen.. Eine traurige Entwicklung. Gewalt erzeugt nur Gewalt heißt es und Besatzung ist die Hauptursache des Ganzen, ein Circulus vitiosus. Wer kann diesen Kreis der Gewalt durchbrechen?

Der 20 jährige Patient ist schon am zweiten Tag nach der Operation aufgestanden und kam mir bei der Morgenvisite lachend im Korridor entgegen. Man sah die Freude in seinen Augen - und das war für mich die größte Freude - und ein anderer Operationstag hat begonnen.

 

Herzliche Gruesse

Ibrahim K. Lada'a


7. Bericht

Nablus, den 5.September 2003

 

Liebe Kolleginnen,

 

Ein Kollege aus Nablus, er ist Gynäkologe und hat viele Falten im Gesicht, die ihn älter aussehen lassen als er ist. In der Pause, zwischen zwei Operationen, ist er stets mit einer Zigarette zwischen den dunkelbraun gewordenen Zeige- und Mittelfinger anzutreffen. Er redet leise, er hat keine Lust sich zu unterhalten. Erst in der zweiten Woche meines Aufenthaltes in Nablus kommen wir einander näher und er beginnt stockend zu erzählen.

Sein 20-jähriger Sohn ist seit vier Monaten in israelischer Gefangenschaft. Zuvor war er Student an der AL-Naggah Universität von Nablus, eine Uni mit 12.000 Studenten. Er war sehr redegewandt und sehr aktiv innerhalb der Studentenbewegungen - man spürt den Stolz des Vaters auf seinen Sohn. Er sagt, er,. der Vater, habe ihm sogar sein Auto gegeben, während er zu Fuß ins Krankenhaus ging. Als die Israelis früh am Morgen kamen, um ihn zu verhaften, habe er die Tür geöffnet. Der Offizier fragte "Ist dein Sohn da?" Ich antwortete "Ja". Beim Abfahren, als sie mit dem an den Händen gefesselten Sohn beim Treppenausgang standen, drehte sich der Offizier um und sagte zu mir: "Du bist ein glücklicher Vater", ich habe ihn erstaunt angesehen was er damit wohl meine und fragte, wie das sein konnte. Der Offizier entgegnete, er habe vorgehabt, wenn er seinen Sohn nicht vorfinde, hätte er das Auto so präpariert, dass Sohn und Auto in die Luft gehen würden ...

Vor zwei Tagen sollte das erste Gerichtsverfahren stattfinden, etwa 40 km von Nablus entfernt über Jenin in einer israelischen Siedlung. Der Kollege nahm zwei Arbeitstage frei und machte sich auf den Weg, um rechtzeitig bei der Gerichtsverhandlung zu sein. Nachdem er mehrere Checkpoints passiert hatte, kam er am Mittwochmorgen in der Frühe an. Mit ihm warteten fast 30 Araber mit ihren Frauen und Kindern in einem großen Saal. Nach einer gewissen Zeit kam ein Offizier und sagte man solle ihm folgen. Die Menschen dachten es ist soweit, die Spannung stieg, wir liefen hinter dem Offizier her, er führte uns zum Hauptausgang und sagte: "Ihr könnt wieder euren Bus nehmen, heute könnt ihr eure Kinder nicht sehen, ihr dürft sie nicht sehen, geht nach Hause".

Als die Gefangenen hörten, dass ihre Verwandten nicht im Gerichtssaal sein durften, streikten sie und weigerten sich vor Gericht zu gehen, so dass der Richter das Gerichtsverfahren auf unbestimmte Zeit verschob... . Eine Stimme vom Operationsraum ertönt und sagt: "Herr Dr... deine Patientin liegt schon auf dem Operationstisch". Der Kollege stand auf und ging in Richtung OP- Raum. Es war seine elfte Kaiserschnitt Operation an diesem Tag.

 

Ibrahim K. Lada'a

 


8. und letzter Bericht

Nablus, den 10.September 2003

 

Liebe Kolleginnen,

Um vier Uhr nach Mitternacht drangen die israelischen Soldaten, mit einem Gemüselieferwagen getarnt, in den Vorhof des Regierungskrankenhauses Rafidia ein. Am Eingang der Notfallaufnahme stand, da nicht viel zu tun war, nur wenig Personal. Die Soldaten drangen mit hochmodernen Waffen, Schnellfeuergewehren mit Laser Pointer am Gerät, ins Krankenhaus ein und zwangen das Krankenhauspersonal, indem sie den Laser Pointer direkt auf ihre Köpfe richteten, sich alle in einen Raum zu begeben. Während sie zusammen gepfercht von zwei Soldaten überwacht wurden, machten sich die anderen Soldaten durch die Korridore des Krankenhauses auf den Weg zur Intensivstation.

Dort lagen zwei junge Männer zwischen 20 und 25 Jahren, die drei Tage zuvor bei einer Verfolgung durch israelisches Militär schwer verletzt worden waren.

Einer von ihnen hatte eine mehrstündige Operation hinter sich. Der Schuss kam von der rechten Seite - abdomenal/thorakal - und verletzte seine Leber, seinen Pankreas und die linke Niere. Er lag drei Tage an einem Beatmungsgerät. Der andere junge Patient hatte - thorakal -rechts einen Armschuss mit einer Nervenverletzung erlitten und lag auch fast zwei Tage am Beatmungsgerät. An dem Tag, an dem sich die beiden etwas stabilisiert hatten und ohne Beatmungsgerät auskamen, wurden sie in der Nacht entführt. Einem Angestellten des Krankenhauspersonals gelang es während des Überfalles unbemerkt den Krankenhausdirektor anzurufen und zu informieren. Obwohl der Direktor nicht einmal 10 Minuten entfernt wohnte, war, kaum als er ankam, alles beendet. .

Am Morgen danach, bei der Besprechung, war die Stimmung der Kollegen eine Mischung zwischen Wut und Ohnmacht. Mehrere Vorschläge wurden gemacht und viel diskutiert. Einer der Chirurgen äußerte seine Besorgnis darüber, ob die Patienten gesundheitlich überhaupt in der Lage wären die Entführung zu überstehen. Ein anderer beruhigte ihn und meinte in der israelischen Armee gäbe es sicher Kollegen. Wieder andere Kollegen schlugen vor, für 10 Minuten die Arbeit niederzulegen, vor dem Krankenhaus zu demonstrieren und eine Presseerklärung abzugeben. Dieser Vorschlag kam auch nicht durch, da mehrere Ärzte der Meinung waren, es hilft nichts, denn die Welt ist mit den Starken, keiner will uns hören und für die westliche Welt sind wir alte Terroristen. Das Telefon klingelte, der Direktor sagte es wäre die Presse und unser Gesundheitsministerium hätte bereits ein Protestschreiben an die UNO und die internationale Presse geschickt. Die Sekretärin erschien und meldete, der stationäre und ambulante Operationsbereich sei voll Menschen,. die von weither kämen und rechtzeitig vor dem nächtlichen Ausgehverbot wieder Zuhause sein wollten. Wir standen alle auf und jeder ging an seinen Platz um seine Arbeit und Pflicht zu tun.

Neue Diagnosen: Ein Konzilschein von der Chirurgie gibt folgende Erklärungen zu dem mir eingelieferten Patienten, Der 19jährige Patient wurde von israelischen Soldaten mit einem Holzstück, anscheinend mit einem Nagel, vorne auf den Kopf geschlagen, Dabei traf der Nagel den rechten Augapfel. Ich sollte entscheiden ob die HNO etwas damit zu tun habe. Als Diagnose stand die Abkürzung HBS. Ich begann intensiv darüber nachzudenken was HBS wohl heißen könnte. Meine medizinische Ausbildung ist deutsch, aber ich bin gut mit der englischen Fachliteratur vertraut Ich wollte mich vor der Krankenschwester und dem Patienten nicht blamieren und nachdem ich auch durch seine Freunde, die ihn umstanden, über das Vorgefallene informiert wurde, stellte ich anhand der Untersuchung und der Röntgenbilder fest, dass betreff der HNO alles in Ordnung sei und überwies ihn zur Opthalmologie, (Ich erfuhr danach, dass seine Sehkraft in Ordnung sei und die Verletzung lediglich das Augapfelfett betroffen hätte). Ich merkte mir die Diagnose und begab mich In die Unfallstation, um über die Bedeutung von HBS nachzufragen. In der Unfallstation herrschte in den Kabinen, de durch Vorhänge voneinander getrennt waren, große Betriebsamkeit, Ich fand das Registerbuch vor mir auf dem Tisch, blätterte um und fand diese Diagnose des öfteren vorkommend. Bei fast jedem 4. Patienten stand als Diagnose HBS oder HBSS. Mir wurde heiß und kalt, in meinem Alter und ich wusste nicht Bescheid. Als ein junger Kollege vorbei kam fragte ich ihn direkt was HBS heißen konnte, er schaute mich erstaunt an und sagte. "Du bist nicht von hier" ich entgegnete "Ja ich war sehr lange draußen" und er erklärte mir das sind Abkürzungen von HITTEN BY SOLDIERS, UND HBSS heißt HITTEN BY SOLDIERS AND SETTLERS. Jetzt war mir klar, 25 % der Patienten der Notfallkliniken bekommen diese Diagnose, jeder dritte Palästinenser war in israelischen Gefängnissen, .zwei Drittel des Volkes sind geflüchtet, die gebliebenen drei Millionen Palästinenser werden von allen Seiten von einer acht Meter hohen Mauer umzingelt.

Das schlimmste aber ist die ZEIT, die Zeit die Israel den Palästinensern stiehlt.

Ein ganzes Volk verbringt seine Zeit damit, tagtäglich Umwege über Berge und Felder zu laufen, um die israelischen Checkpoints zu umgehen, um an seine Arbeitsstelle zu gelangen, um im Krankenhaus zu gebären., um..,,..um... um,..,

Dem palästinensischen Volk die zeit zu stehlen ist das schlimmste und raffinierteste, was der israelische Staat den Palästinensern antun kann, nicht die Vertreibung, nicht der Landraub, nicht der Terror, nicht das Hinrichten auf Verdacht ohne jegliche Gerichtsverhandlung und so weiter, die gestohlene ZEIT ist es, sie tötet alles, sie verursacht Stagnation, sie gibt keine Möglichkeit an etwas anderes zu denken, sie schafft ein Volk, das für nichts mehr zu gebrauchen ist, nicht einmal mehr als Gastarbeiter in Israel!

Nach sechs Wochen sollte ich Nablus verlassen, gefühlsmäßig hätte ich länger bleiben können. Ich habe in diesen sechs Wochen viele Menschen kennen gelernt und wir haben uns gut verstanden.

Aber die Pflicht ruft - ."ces`t la vie" - und in dieser Zeit habe ich 50 mikrochirurgische Operationen durchgeführt. Das Durchschnittsalter der Patienten tag bei 17,5 Jahren. Es handelte sich Um 'mehr Mädchen bzw. Frauen als Jungen und Männer, die Verhältnisse lagen bei 3:2, d.h. die Mehrheit waren Mädchen, die an Cholesteatomen, d.h. .Tumoren jm Ohr litten.

Ob man hieraus gewisse Konsequenzen ziehen könnte ist eine andere Sache, ich traue es mir nicht zu, da die Gesamtzahl zu gering ist, um etwas zu sagen,

Alte fünfzig Operationen verliefen ohne große Komplikationen. Bei zwei von ihnen handelte es sich um einen Hirnabszess in der hinteren Schädelgrube, in 80 % der Fälle handelte es sich um den bekannten Knochenfraßtumor; das Cholesteatom. Wie es mit der Gehörverbesserung steht, kann ich nicht sagen, es hängt sehr viel von der Ausgangssituation nach der Behandlung ab. ich hoffe dass ich hier den Kollegen etwas beibringen konnte. Auf jeden Fall hat der Abschied gezeigt, dass sie sehr zufrieden waren und viel gelernt hatten.

Ich nahm an einem Donnerstag Abschied von Nablus, es lagen noch drei Operationen vor mir. Mit Mühe und Not hatte ich eine Ambulanz der "Health Union" gefunden, deren Fahrer sich bereit erklärt hatte mich aus Nablus mitzunehmen. Es herrschte die zweite Woche Ausgehverbot. In der Auseinandersetzung stehen dem Besatzer, ausgerüstet mit den modernsten westlichen Waffen, die Besetzten mit leeren Händen gegenüber, oder nur mit einem Stein in der Hand.. aber mit dem festen Willen eines Tages in Freiheit in ihrem eigenen Land zu leben.

Nablus hat 9000 Jahre Geschichte hinter sich. Es liegt zwischen den zwei Bergen Ebal und Jerzim. In ihr lebt eine der ältesten Gemeinden der Welt, die Samariter. Sie sind ungefähr 400 Menschen und sie "glauben an die ersten fünf Bücher Moses. leben und leben lassen das ist auch die Mission der Nablus- Bewohner, sie 1assen sich von niemanden versklaven, das steht schon in ihrer Geschichte. Auf arabisch oder im Volksmund wird Nablus JABEL AL NAAR, der feurige Berg, genannt.

Das kommt aus der Zeit, als der arabische Raum über 400 Jahre von den osmanischen Türken besetzt war, Da hatten die Türken, um den Widerstand der Bevölkerung zu brechen, alle Wälder,' die Nablus umgeben hatten, verbrannt, um eine bessere Sicht auf die Stadt zu bekommen. Jetzt brauchen die Israelis in dieser Hinsicht nichts mehr tun, obwohl sie viele Bäume, wie sie sagen aus Sicherheitsgründen entwurzelt haben. Das israelische Militär installierte viele westliche, moderne Überwachungssysteme, um die Menschen Tag und Nacht ständig überwachen zu können, um festzustellen wo immer sie auch gerade sind, und aus mehreren Kilometern Entfernung jederzeit ermorden zu können. Auf der Spitze dieser zwei Berge sieht man die Antennen der Überwachungssysteme.

Um 12 Uhr, während ich operiere, kommt eine Krankenschwester und sagt mir der Ambulanzfahrer sei früher gekommen, da sich starke israelische Panzereinheiten in Richtung der Altstadt von Nablus bewegten. Ich sagte, gib dem Fahrer eine Tasse Kaffee und er möge sich bitte eine halbe Stunde gedulden. Die Schwester kam nach gewisser Zeit wieder und erklärte der Fahrer sei weg. Ich operierte weiter und sagte ich bleibe noch eine Nacht. Doch nach gewisser Zeit kam die Ambulanz wieder und brachte drei verletzte Jungen, die mit scharfer Munition in die Schulter und in die Beine getroffen worden waren. Ich hatte meine Operation beendet und wir fuhren sofort los. Wir mussten durch die Stadtmitte, wo die größte Auseinandersetzung stattfand. Es war ein Abenteuer, der Fahrer fuhr wie ein Rennfahrer. Er fand seinen Weg zwischen Steinen und Felsbrocken, zwischen israelischen Panzern und gepanzerten Fahrzeugen, er schlug sich durch die Gassen, mehrmals musste er in einer Seitenstraße verharren oder in kleinen Gassen warten, bis die israelischen Panzer vorbeigefahren waren. Ich hatte mich fest angeschnallt und hoffte; dass die Reifen durchhalten würden. Schließlich fuhren wir in Richtung Ramallah und ließen JABEL AL NAAR hinter uns.

 

Ibrahim K. Lada‘a


Initiative Hören

Ohrchirugie für palästinensische Kinder

Die Palästinenser im besetzten Gebiet zählen 3,29 Millionen. 57 % der Bevölkerung sind unter 20 Jahre alt. Der Bevölkerungszuwachs beträgt ca. 5% pro Jahr, die Lebenserwartung beträgt 71,9 Jahre. Die durchschnittliche Familiengröße liegt bei 6,1 Personen.

 

Eine der Haupterkrankungen im Kindesalter ist neben Blutarmut die Erkrankung der Luftwege, besonders der oberen Luftwege, die durch vergrößerte Rachenmandeln einen chronischen, entzündlichen Prozess im Mittelohr verursachen. Dies führt zur Gewebsflüssigkeitsansammlung im Mittelohr, dies wiederum zu Hörminderung und somit zur Hemmung der Entwicklung des Mittelohres. Dies in einer Zeit, in der ein Kleinkind sein normales Gehör sehr nötig hat, denn diese Phase ist die wichtigste Phase der Hirn- bzw. Sprachentwicklung.

 

Geholfen werden kann den Kindern durch einen kleinen chirurgischen Eingriff, in dem man ein Paukenröhrchen anlegt. Hier können sehr viele Kinder ihr normales Gehör wieder erlangen und ihren normalen schulischen Anforderungen genügen. Geschieht dies nicht, auch auf Grund der Unterernährung, insbesondere bei tierischem Proteinmangel, so entwickelt sich dieser Prozess zu einer chronischen Erkrankung mit der Bildung, was wir Cholesteatom (Knochenfraß) nennen. Eine Mittelohrgeschwulst, die nicht nur das Trommelfell und die Gehörknöchelchen zerstört sondern auch den Felsenbeinknochen - eine Erkrankung, die wir in Deutschland heute sehr selten sehen, häufiger war sie zur Zeit des Krieges.

Hier können nicht nur Hörverlust, Ohrenlaufen, Schwindel und Ohrensausen auftreten, sondern auch Komplikationen, die bis in das Schädelinnere führen und einen fatalen Ausgang nehmen können.

Eine Mittelohroperation (Tympanoplastik, Mastoidektomie) ist hier dringend erforderlich. Hunderte von Kindern warten auf diese Operation.

 

Mein achtzehnjähriger Aufenthalt (1978 - 1997), während dessen ich als HNO Chefarzt bzw. Krankenhausdirektor in Jerusalem/Ramallah hauptsächlich diese Art von Operationen durchgeführt habe, gibt mir die Möglichkeit und die Erfahrung dies wieder zu tun, und zwar für die Zeit von drei Monaten, Anfang März bis Ende Mai 2003.

Für diese Mission muss alles in Details vorbereitet sein. Ich muss wieder OP Personal ausbilden, operative Instrumente mit allem Zubehör besorgen (Paukenröhrchen Mittelohrprothesen usw.).

Der Kontakt mit den Gesundheitsbehörden sowie den NGO's und Gruppen, die im Gesundheitswesen tätig sind, ist hergestellt um eine optimal mögliche operative Situation zu schaffen und Patienten für die Operation vorzubereiten.

 

Wie Sie dabei helfen können, ob finanziell oder mit der Beschaffung von operativen Instrumenten und Hilfsmitteln wie z.8. Paukenröhrchen oder Mittelohrprothesen, steht Ihnen frei. Die Kinder von Palästina brauchen diese medizinische Hilfe, und ich bin bereit sie mit Ihrer Unterstützung zu geben

 


Für weitere Informationen stehe ich gerne zur Verfügung

Dr. Ibrahim K. Lada'a

HNO Facharzt

Gartenstr.2 b

33175 Bad Lippspringe

 

Spendenkonto:

Evangelische Kirche Bad Lippspringe

Konto-Nr.: 9226655000

BLZ 47260121 Volksbank Paderborn

Verwendungszweck: Initiative Hören

(Spendenquittungmöglich)