Pressebericht: „Neue Westfälische“, 05.05.2006

Europas größtes Massengrab
Das "exterritoriale Outsourcing von Flüchtlingen" der Wohlstandsgesellschaft

VON RALF MISCHER

Paderborn. Um Flüchtlinge, deren Elend, Hoffnungen und Probleme ging es in der Evangelischen Studierendengemeinde im Lukas-Gemeindezentrum am Laugrund.

Geladen zu der Veranstaltung, die ähnlich einem Themenabend beim Fernsehsender "Arte" das Problem von allen Seiten beleuchtete und sogar vor den lustigen Seiten des Themas nicht zurückschreckte, hatten neben der Evangelischen Studierendengemeinde auch die Lukas-Gemeinde, die Paderborner Initiative gegen den Krieg und der Projektbereich eine Welt an der Universität Paderborn.

Ein ebenso deutliches, wie dramatisches Bild hatte der erste Referent, Dirk Vogelskamp, Mitglied im Komitee für Grundrechte und Demokratie gezeichnet. Lebhaft malte er die Schicksale tausender Flüchtlinge nach, die an den maghrebinischen Exklaven der Wohlstandsgesellschaft, in Mellila oder Ceuta, auf einen neue Existenz im Überfluss der westlichen Wertegemeinschaft hoffend doch nur im "größten Massengrab Europas der Gegenwart, dem Mittelmeer" ankommen. Das "exterritoriale Outsourcing von Flüchtlingen" sei nicht nur in Australien ein beliebtes und praktiziertes Mittel, um sich ungebetene und unliebsame Gäste aus dem Land zu halten. Insbesondere spricht er spanische Internierungslager auf den Kanaren an und Ziel der Europäer sei es, Transitstaaten flüchtlingstauglich zu machen.

Einen nicht ganz ernsten Blick auf das Flüchtlingselend der Gegenwart bot das Kunstprojekt "Schleppen und Schleusen", das 2003 in Graz vorgestellt wurde. Die Kosten der Grenzsicherung sind demnach auf ein ökonomisch nicht mehr vertretbares Maß angestiegen, obwohl der undokumentierte Personenverkehr einen wichtigen ökonomischen Faktor ausmache, der auch in der deutschen Volkswirtschaft nicht verzichtbar wäre, erklärte der Referent von "Schleppen und Schleusen".

Deshalb setze sich der Bundesverband für Schleppen und Schleusen dafür ein, dass das undokumentierte Reisen auch in Deutschland legalisiert wird und die staatlichen Rahmenbedingungen erhält, die eine Wachstumsbranche in einem schwierigen Markt benötigt, erklärte Andreas Beisbart augenzwinkernd.

Auf humoristische Art und Weise gelang ihm der ironische überzeichnete Blick auf die ernüchternde Wirklichkeit der freiheitlich demokratisch und westlichen Wertegemeinschaft, die, vom Wohlstand verwöhnt, nur noch das sieht, was sie sehen möchte. "Übrigens: Zur Vermeidung von Wucher- und Koppelgeschäften tritt der Bundesverband Schleppen und Schleusen nachdrücklich für die Trennung von Reiserecht und Arbeitsrecht auch im dokumentierten Reiseverkehr ein".

www.schleuser.net

 


Sprachen über das Flüchtlingsproblem: (v.l.): Pfarrer Christoph Keienburg, Dirk Vogelskamp (Komitee für Grundrechte), Hartmut Linne (Initiative gegen Krieg), Ilse Erhardt (Schleuser.net), Francis Gnebehi (Evangelische Studierendengemeinde), Pfarrer Matthias Surall, und Andreas Beisbart (Schleppen und Schleusen).FOTO: RALF MISCHER

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