Pressebericht: „Neue Westfälische“, 20.03.2006

"Tote als Balkendiagramm"
Initiative gegen den Krieg warnt vor Angriff auf den Iran

VON RALF MISCHER

Paderborn. Zum dritten Mal jährt sich heute der Angriff auf den Irak. Jener Jahrestag wird weltweit mit Aktionen und Kundgebungen begangen. Bundesweit standen bereits am Samstag zahlreiche Fußgängerzonen im Zeichen des Protests gegen Krieg und Gewalt. In Paderborn hatte die "Initiative gegen den Krieg" eine Kundgebung organisiert.

Als Redner agierten der seit 19 Jahren in Deutschland lebende Exil-Iraner Mojtaba Shakibapur und der Lyriker Jan Egge Sedelies aus Hannover. "Der Krieg im Irak ist nach wie vor ein Thema, doch wir möchten auch weiter blicken", erklärt Hartmut Linne, Sprecher der Initiative, das Motto der Paderborner Veranstaltung an der Franziskanerkirche: "Schluss mit den Kriegsdrohungen und Kriegsvorbereitungen gegen den Iran".

Gewalt sei heute die erste Todesursache im Irak. Menschen hätten keinen Zugang zu Trinkwasser und die Arbeitslosigkeit liege bei über 60 Prozent. "War das das Ziel der Amerikaner?", fragte er provokativ, um das Mikrofon an Junglyriker Jan Egge Sedelies abzugeben, dessen Lyrikband "Sehnsucht nach besserer Welt" im Zeter & Mordio-Verlag erschienen ist. Gekonnt, stimmgewaltig, brillant inszeniert und lebhaft vorgetragen, las der Hannoveraner eines seiner Gedichte über den Krieg vor.

"'s ist Krieg/ und Jonas schaut minutenlang auf die fünfjährige Samar, die auf dem Boden hockt/ ihre Hände vor den weinenden Augen verschlossen hält./ S' ist Krieg s' ist Krieg/ Was hülft mir Kron und Land und Gold und Ehrgeiz?/ Die können mich nicht freuen!/ S' ist leider Krieg und ich begehre/ nicht schuld daran zu sein", schallte es anklagend durch die frostig kalte Westernstraße. Die Gedichtseiten flogen, nachdem er sie abgelesen hatte, auf den Boden. Vorbei gehende Passanten blickten sekundenlang neugierig, um dann weiter zu gehen, nach vorn zu schauen. "Denn Krieg ist immer konkret – auch wenn uns die Peter Klöppels dieser Welt Tote als Balkendiagramm präsentieren!"

Konkret war der Krieg auch für Mojtaba Shakibapur, der den Iran vor 19 Jahren verlassen hat und seitdem in Deutschland lebt. "Wir hatten das Ziel, Mensch zu bleiben und eine Welt zu schaffen, eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Wir haben nein gesagt zum Schah-Regime und nein gesagt zum Konsum. Konsum ist Krieg!", sagt er mit Blick auf seine Vergangenheit im Iran und führt zur aktuellen Lage dort aus: "Der Vorkrieg hat schon längst begonnen!"

Der Kriegsgegner sieht mögliche Ziele schon lange ausspioniert und markiert und betrachtet den Krieg als bereits beschlossene Sache. "Der Krieg ist ein Massaker von Leuten, die sich nicht kennen, zum Nutzen von Leuten, die sich kennen, aber nicht massakrieren!", rief der Exil-Iraner. "Lasst uns Mensch werden, lasst uns gegenseitig kennen lernen!"

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