„Das ist die Sprache des Krieges!“
Interview mit Mojtaba
Shakibapur zur Lage im Iran
Mojtaba
Shakibapur, von seinen Freunden „Jahan“
genannt, ist seit 17 Jahren im Exil in der BRD. Er arbeitet seit langem im
Verein für politische Flüchtlinge und verfolgt als oppositioneller
Intellektueller aufmerksam die Situation in seinem Heimatland. Ein Gespräch mit
ihm über die aktuellen Entwicklungen im Iran (Red.).
Graswurzelrevolution: Jahan, wie beurteilst Du die jüngsten Äußerungen des
iranischen Präsidenten Ahmadinejad, der dazu aufrief,
den Staat Israel „von der Erde zu tilgen“?
Mojtaba Shakibapur:
Das ist die Sprache des Krieges! Er hat von „wegrasieren“ gesprochen. Ich
denke, er ist ein religiöser Faschist. Und ganz normal bei religiösen
Faschisten ist es, Israel als Besatzer Palästinas von der Landkarte „rasieren“
zu wollen. Was er gesagt hat, hat schon Khomeini gesagt vor 26 Jahren. Und dies
sagten alle Führer im Iran bis heute – jedes Jahr am Tag der Befreiung „Quds“ von israelischer Besatzung, d.h. der auch für Moslems
heiligen Stadt Jerusalem.
Jedes Jahr am Quds-Tag finden Demonstrationen der Anhängerinnen und
Anhänger der iranischen Regierung statt. Und jedes Mal an diesem Tag wiederholt
sich dieselbe Geschichte, dass in jeder Stadt die DemonstrantInnen
„Nieder mit Israel! Nieder mit den USA - die Zeichen Satans auf der Erde!“
skandieren.
Warum ist gerade in diesen Tagen ein derartiges Medienecho auf diese Vorgänge
wahrzunehmen?
Die Medien machen Meinungen. Weltweit müssen die Menschen wissen, es gibt jetzt
einen bösen Staat: Iran! Dieser Staat darf nicht so weitermachen, wir müssen
ihn aufhalten. Die Menschen, d.h. die DemonstrantInnen,
werden nicht als kleiner Teil des Irans dargestellt, was sie eigentlich sind,
sondern als die Gesamtbevölkerung. Natürlich ist dies eine große Lüge. Über 90
Prozent der iranischen Bevölkerung kennen sich gut aus mit den religiösen
Faschisten, die die Macht haben. Und sie nehmen diese Scheiß-Parole überhaupt
nicht ernst. Sie denken, dass dies weltweit gewusst wird, aber leider ist es
nicht so. Die Medien haben eine große Macht, sie beeinflussen die Menschen weltweit,
die jetzt im Iran einen Feind sehen.
Dieses Schauspiel am Quds-Tag findet bereits seit 1979 statt, seitdem die
religiösen Faschisten im Iran an der Macht sind. Sie wurden damals von den
G7-Staaten an die Macht gebracht.
Wussten die G7-Staaten nicht, was sie da tun, oder wollten sie nach der
Revolution im Iran eine sozialistische Alternative verhindern?
Nach langjährigen Beobachtungen, die im Iran gemacht wurden, wussten die
westlichen Geheimdienste, welche Rolle die SozialistInnen
im Iran einnehmen könnten. Um ihre Machtübernahme zu verhindern, bot sich als
einzige Alternative, religiöse Parteien an die Macht zu bringen. Das geschah
z.B. auch in Afghanistan, im Irak und in Pakistan.
Ist die Arbeit der religiösen Führer in Teheran nun erledigt, hat das Regime
ausgedient?
Ja, sie haben ihre Rolle bestens gespielt. Tausende anders denkende Menschen
wurden gehenkt, geschlachtet, gefoltert und vertrieben, bis ein Land ohne
Gedanken geschaffen wurde: Gottes Land! Wissen ist im Iran verboten.
Steht nun ein Krieg bevor?
Es herrscht seit 26 Jahren Krieg im Iran. Und so lange wird auch schon
Kriegspropaganda gemacht. Die iranische Regierung ist mit Krieg an die Macht
gekommen, und nur mit Krieg kann sie weiterexistieren.
Stimmt es, dass von der Situation im Iran vor allem deutsche Konzerne und
Banken profitieren?
Die größten Wirtschaftsbeziehungen zum Iran haben deutsche Konzerne und
Banken. Sie haben von Anfang an eine große Bedeutung für die Machthaber im Iran
gehabt. Ohne diese Unterstützung hätte die iranische Regierung nicht
weiterexistieren können. Die rot-grüne Regierung entwickelte ganz bewusst -
gemeinsam mit den größten Lügnern aus der „liberalen“ Regierung des Iran -
diese Geschäftsbeziehungen fort. Hierfür steht der Besuch des ehemaligen
iranischen Präsidenten Mohammad Khatami 1998 in
Berlin.
Der grüne
(Ex-)Außenminister, Joseph Fischer, der sich angeblich große Sorgen um die
Menschenrechte macht, hat geholfen, die skandalösen Verhältnisse im Iran zu
kaschieren. Das konnte so nur ein Linker – und gleichzeitig die Linke mundtot
machen.
Übrigens wurden während
der rot-grünen Regierungszeit in Deutschland rund 99 Prozent der aus dem Iran
geflüchteten Menschen als AsylbewerberInnen
abgelehnt. Eine höhere Quote von Anerkennungen hätte das Unrechtsregime des
Iran demaskiert und die blutigen Geschäfte der Deutschen mit den Iranern
enthüllt.
Man konnte förmlich spüren, wie den deutschen PolitikerInnen ihre Iran-Politik
mit dem Bekanntwerden der anti-israelischen
Äußerungen Ahmadinejads auf die Füße knallte. Ist es
die Absicht derer, die Krieg gegen den Iran führen wollen und eine
entsprechende Medien-Kampagne fahren, KriegsgegnerInnen von vorneherein
mundtot zu machen? Wer will Krieg gegen den Iran führen?
Wenn es um den Iran geht, weiß die deutsche Regierung immer genau, was Teheran
wollte und will. Schon als der Iran-Irak-Krieg wütete, der erste Golfkrieg
(1981-1989), war das Ziel des Regimes in Teheran Quds,
also Jerusalem, zu befreien – mit dem Umweg über Kerbala,
das im Irak liegt. Die deutsche Regierung wusste, dass die iranische Regierung
nicht über die hierfür erforderlichen Mittel verfügte. Sie wusste, dass dies
nur eine Parole der iranischen Regierung, eine Beschimpfung Israels, war. Wer
will nun den Krieg gegen den Iran führen?
1980 ist die US-amerikanische
Botschaft in Teheran von islamistisch-fundamentalistischen
StudentInnen besetzt worden. Es wurden über 200 Geiseln genommen. Aufgrund der
Unterstützung der US-Regierung für das diktatorische Schah-Regime im Iran bis
zu dessen Ende 1979 erfuhr diese Besetzung in der iranischen Bevölkerung großen
Rückhalt. Ab dieser Zeit unterstützte die US-Regierung das Regime Saddam
Husseins im Irak, der nun ausgestattet wurde, um gegen den Iran einen Feldzug
zu führen – auch mit Giftgas. In diesem acht Jahre dauernden Krieg kamen über
zwei Millionen Menschen ums Leben, fünf Millionen Menschen leiden bis heute
unter den Kriegsfolgen. D.h., der überwiegende Teil der iranischen Bevölkerung
ist nach wie vor gegen die US-amerikanische Politik am persischen Golf - übrigens
genau so wie gegen die Besatzungspolitik der israelischen Regierung. Diese
Einstellungen benutzt nun die iranische Regierung zu ihrem Machterhalt. Aus
diesem Grund haben sie dieses Jahr die internationale Presse zum ersten Mal am Quds-Tag ins Land gelassen. Daher kommen die Bilder von den
verbrannten Israel- und US-Fahnen.
Es ist reiner
Machterhalt. Das iranische Regime steht durch die Kriegsandrohung von Seiten
der US-Regierung enorm unter Druck, nachdem die US-Army
schon die beiden Nachbarländer des Iran, Afghanistan und Irak, angegriffen und
besetzt hat.
Außerdem rumort es auch
in der eigenen Bevölkerung, und zwar bereits seit dem Tod des „Revolutionsführers“
Khomeini in den 1990er Jahren. Hierdurch ist die Herrschaft im Iran
destabilisiert worden, und so greifen die Herrschenden zu den äußersten
Mitteln. Die Repression im Iran ist so stark wie nie zuvor, die Menschenrechte
sind stark eingeschränkt. Man darf in der Öffentlichkeit nicht einmal mehr
diskutieren, und schon gar nicht demonstrieren.
Was glaubst Du ...
... was denkst Du ...
Was denkst Du, ist der Grund für die Kriegsandrohung von Seiten der
US-Regierung? Wollen sie dem Iran Demokratie bringen? Wollen sie das Öl und das
Gas? Oder müssen sie den Einfluss der iranischen Regierung auf die WiderstandskämpferInnen im Irak eindämmen?
Die Kriegsandrohung gegen den Iran ist meiner Meinung nach eine religiöse
Vergeltungsmaßnahme.
Wofür?
Die großen Fundamentalisten und Machthaber in den USA haben mit der Botschaftsbesetzung
von 1980 ihre Macht im Iran verloren – und damit ihre Wirtschaftsbeziehungen.
Sie wollen erstens diese Macht zurückhaben. Zweitens wollen sie der iranischen
Bevölkerung eine Demokratie bringen, die man schon in Afghanistan und im Irak bewundern
kann. Drittens wollen sie die Bodenschätze.
Viertens: Solange es die
religiös-fundamentalistische Regierung im Iran gibt, bekommt der Widerstand in
Afghanistan und bekommen die Schiiten im Irak die nötigen Waffen, die sie
brauchen, um gegen die US-Army und ihre Verbündeten
zu kämpfen.
Jahan, ich danke Dir für dieses Gespräch!
Interview: Edo
Schmidt
Aus: Graswurzelrevolution, Monatszeitung
für eine gewaltfreie, herrschaftslose Gesellschaft, Nr. 306, 35. Jahrgang, Februar 2006, www.graswurzel.net