Der neue Irak
von
Dr.Ibrahim K. Lada`a
Juni 2005
Täglich werden uns von der amerikanischen
Administration, insbesondere von Seiten
ihres Präsidenten, demokratische
Fortschritte in Afghanistan, im Irak und in der Westbank (Palästina)
suggeriert und als ein
Verdienst der amerikanischen Besatzungspolitik dargestellt.
Man
geht sogar so weit, diese angeblichen
Verdienste bei der Demokratisierung als eine Drohung gegen andere autoritäre Regime der Region wie
Ägypten, Syrien, Iran und andere zu benützen.
Wenn
wir die Ereignisse im Irak genauer betrachten, nehmen wir eine neue Art der Definition von Demokratie wahr. Bekannt ist
uns die Definition der Demokratie als solche, in der das Volk durch seine frei gewählten Vertreter sich selbst regieren soll.
Diese
Vertreter werden nach ihren patriotischen Leistungen und Innovationen, die dem
ganzen Volk dienen und zugute kommen , bewertet,
unabhängig von ihrer Religion, ihrem Geschlecht oder ihrer Rasse. Dies ist
zumindest die Definition von Demokratie im alten Europa.
Die Demokratie hingegen, die die USA im Irak einführen will,
bedient sich des Prinzips der
Zersplitterung. Sie unterteilt das irakische Volk nach Religion, Konfession, ethnischer
Zugehörigkeit oder Rasse. Auf diese Weise aufgeteilt, wird die irakische Nation
nicht im entferntesten
von demokratischen Prinzipien
regiert.
Alles
was die USA im Irak anstrebt, bedeutet
nichts anderes, als die Umschulung des
arabisch-irakischen Volkes im Namen
einer falschen Demokratie, d.h. die nationale Zugehörigkeit in eine
religiöse Zugehörigkeit umzusetzen. Hier
sollen die Familie, die Sippe und die Rasse im Vordergrund stehen und nicht die
gemeinsamen Interessen einer Nation. Diese
neue Art von Demokratie wird das irakische Volk zerstückeln und es zwingen in ethnisch und religiös
reinen Kantons zu leben.
Anstelle
eines gesamt
gesellschaftliche strukturellen Aufbaues wird hier der Abbau des Säkularstaates, von mehreren links gerichteten arabischen
Bewegungen, in Jahrzehnten aufgebaut, praktiziert. Die Gesellschaft wird auf ein primitives Staatsgebilde, das sich auf Religion und
Rasse stützt, zurückgeworfen. Denn nur
auf diese Weise können die USA ihre Hegemonie weiter behalten - nach dem alten
imperialistischen Prinzip „ Teile und herrsche“.
Das
was täglich an Nachrichten über den Irak zu uns durchdringt, besagt lediglich,
daß verschiedene, sich bekämpfende Gruppen an die Macht wollen.
Daß es im Irak nicht nur um Moslems, Schiiten und
Sunniten, Christen, Kurden, Araber,
Turkmenen geht, sondern daß wir es hier mit einem Land zu tun haben,
das die Wiege der ältesten Kulturen der
Menschheit ist, auf dem vor mehr als 6000 Jahren die ersten staatlichen Gebilde der Geschichte entstanden, wird geflissentlich
ignoriert. Statt dessen maßen sich die USA an, ein Land mit gerade mal 250
jähriger Geschichte, den Irakern beibringen zu wollen, wie sie sich zu regieren
haben.
Diese
Zerstückelung des Irak wird im Laufe der Zeit zu Interessenkonflikten, die auf
Konfession, Religion oder Rasse beruhen, führen. Die jetzigen Mitglieder der
irakischen Regierung handeln kurzsichtig und nehmen nur ihre eigenen, egoistischen Interessen wahr
und ignorieren somit die Interessen eines vereinten Iraks. Diese „Vertreter“
der irakischen Nation sind zum Teil die Söhne von Großfamilien und Familien,
die der ehemaligen Monarchie nahe standen und im Zuge der Landenteignung nach dem Sturz der
Monarchie 1958 in den Westen geflohen waren und jetzt auf amerikanischen
Panzern zurückkehren.
Diese
Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Interessensgruppen hat bereits
zu bewaffneten Konflikten geführt, deren
einzige Gewinner auf lange Sicht nur die
Feinde des irakischen Volkes sind.
Folgerichtig
müssen die Iraker, und zwar alle Iraker,
dieser selbstmörderischen Entwicklung entgegenwirken. Dies bedeutet ein
Ende der grauenhaften Attentate
untereinander, als auch den
Gerüchten von ethnischer oder religiöser Säuberung entgegenzuwirken, wie dies
in den Städten Almadaien, Mousul und Karkuk wiederholt geschah.
Der
Westen beansprucht für sich Einheit und
Demokratisierung. Zugleich praktiziert
er im Irak das Gegenteil, indem er einen kurdischen ,
einen sunnitischen , einen schiitischen und einen turkmenischen Irak unter der Schirmherrschaft der USA-Besatzungsmacht
schafft.
Die
irakische Geschichte zeigt uns hingegen das Bild eines Freiheit liebenden und unbeugsamen Volkes, das
in den fünfziger Jahren die, von den Engländern eingesetzte, absolute Monarchie
erfolgreich abschüttelte.
Damals
kam Abdel Karim Kassem an die Macht, der
von sich selbst sagte:
„Ich
bin der Irak“, weil er einen sunnitischen Vater und eine schiitisch-kurdische
Mutter hatte.
Man
warf ihm vor, der kommunistischen, irakischen Partei nahe zu stehen. 1963 kam
es zum Putsch der Bath Partei und es folgten mehrere kurzatmige Regierungen von
Ahmed Hassan Al-Bekir bis Abdel Slam und Abdel Rahman Arif, die zufällig
dieselben politischen Interessen wie die amerikanische Regierung damals hatten
und zwar den Irak nicht der Sowjetunion zu überlassen. Saddam war der einzige
der Bath Partei, der sich von 1968 bis 2003 an der Macht hielt.
Das Schlimmste, was einer Gesellschaft
passieren kann, ist es im Namen der
Demokratie zu den Wahlurnen zu gehen und gezwungen zu sein nach religiösen und
rassistischen Prinzipien zu wählen. Anschließend wird man womöglich noch aus seiner angestammten
Heimat transferiert, weil man einer anderen Religion oder Rasse angehört.
Die Saat der Zersplitterung nach dem
machiavellischen Prinzip wurde im Namen der Demokratie von der amerikanischen
Regierung mit temporären Erfolg gesät, und sie wird alle Iraker eines Tages in die Katastrophe
führen.
Wenn dieses häßliche Beispiel angeblicher
Demokratie nicht rechtzeitig entlarvt und gestoppt wird, wird sich die
Katastrophe irgendwann auf die gesamte
arabische Region ausdehnen.